HR-Start-ups und ESG: Von Beginn an datengetrieben

Start up, HR!

HR-Verantwortliche saßen vor einiger Zeit oft am Katzentisch – sie gehörten irgendwie dazu, machten einen guten Job, aber für die vermeintlich wichtigen Dinge waren andere zuständig. Es reichte dann mitunter, die Ergebnisse der jährlichen Mitarbeiterumfrage im Vorstand oder im Aufsichtsrat vorzustellen und das nächste Familienfest am Firmenstandort anzukündigen. Die Berichterstattung über den HR-Bereich war eher sporadisch, fast ein „nice to have“.

Heute sieht die HR-Welt zum Glück anders aus – und die strategische Rolle von HR ist unbestritten. Digitalisierung und künstliche Intelligenz, Transformation, Nachhaltigkeit – für alle wichtigen strategischen Initiativen wird die HR-Kompetenz benötigt. Statt einer sporadischen, eher den Status quo beschreibenden Berichterstattung, geht es zur Darstellung einer zukunftsorientierten People-Strategie unterlegt mit klaren Kennzahlen. Heute gilt es darzulegen, wie materiell relevante, nicht-finanzielle Kennzahlen zur Wertsteigerung des Unternehmens beitragen können.

Von der Gehaltsabrechnung zur datengesteuerten Strategie

Aus der „Personalabteilung“, die für eine reibungslose Gehaltsabrechnung verantwortlich ist, wird nun ein Bereich, der relevant für die Wertschöpfung und Risikomitigation des Unternehmens ist. HR-Verantwortliche sind aufgefordert, im Vorstand oder gegenüber dem Aufsichtsrat intensiv sprach- und handlungsfähig zu sein. Sie müssen sicherstellen, dass sie ihre Strategie mit systematisch erhobenen und belastbaren Daten und Fakten untermauern können.

Genau wie Daten und KPI relevanter für HR werden, steigt in meinen Augen auch die Attraktivität von HR-Start-ups. Seitdem wir den HR Start-Up Award ins Leben gerufen haben und ich als Jury-Mitglied am Auswahlprozess beteiligt bin, hat mich beeindruckt, wie konsequent „digital first“ Start-ups stets auch Daten, Dashboards und Data Insights mitdenken und anbieten.

Start-ups bereichern bestehende HR-Systeme

Für HR-Bereiche, die bereits eine eigene Datenstrategie umsetzen, bieten die HR-Start-ups zusätzliche, spezialisierte Insights. Für HR-Bereiche, die noch am Anfang datengetriebener HR-Systeme stehen, kann die Lösung eines Start-ups ein erster konkreter, inhaltlich begrenzter Use Case sein, um selbst Erfahrungen für den eigenen Weg zur modernen, datengesteuerten HR-Organisation zu sammeln.

Hier empfehle ich, für den Einsatz von Lösungen der HR-Start-ups offen zu sein. Denn meist sind diese problemlos in bestehende HR-Systeme zu integrieren. So werden künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Big-Data-Analytik für die eigene HR-Arbeit nutzbar. Statt sich um interne IT-Infrastrukturen zu kümmern, können sich HR-Professionals auf das Lösen von HR-Herausforderungen mittels Technologie konzentrieren. Prozesse können optimiert, bessere Entscheidungen getroffen und personalisiertere Mitarbeitererlebnisse geschaffen werden. Ein zweiter Aspekt kommt hinzu: Indem HR-Start-ups einen eigenen Kundenstamm aufbauen und Daten aggregieren, sind sie in der Lage, aktuelle Benchmarks zu liefern – ein wichtiges Tool für die Diskussionen über die Leistung des HR-Bereichs.

Neue Herausforderungen: EU-Taxonomie-Verordnung und CSRD

Die neuen europäischen Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung fordern von Unternehmen, die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance intensiv zu überwachen und entsprechend darüber zu berichten. Die EU-Taxonomie-Verordnung sowie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) stellen zentrale legislative Maßnahmen dar, die Unternehmen zu einer umfassenden Berichterstattung über ihre Nachhaltigkeitsleistungen verpflichten. Mit dem Inkrafttreten der CSRD im Jahr 2024 wird das bestehende Spektrum der Berichtspflichten bedeutend erweitert und auf eine breitere Basis von Unternehmen ausgedehnt. Ziel ist es, die Transparenz bezüglich nachhaltigkeitsrelevanter Themen zu verstärken und sicherzustellen, dass die sozialen und ökologischen Effekte der Unternehmensaktivitäten quantifizierbar und sichtbar gemacht werden.

Darüber hinaus ermöglicht das vertiefte Verständnis über Lieferketten und deren Prozesse den Unternehmen nicht nur die Erfüllung von Berichtspflichten, sondern eröffnet signifikante Chancen zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen durch ein konsequentes ESG-Reporting. Deshalb werden solche Daten immer wichtiger, die die Fortschritte bei der Umsetzung der Personalstrategie messbar machen. Auch das dürfte die Attraktivität von HR-Start-ups weiter steigern – weil sie konkrete HR-Probleme lösen, die wiederum relevant für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sind. Und weil sie ihre Produkte in einer Weise bauen, die relevante Datenpunkte direkt mitliefert.

Die Herausforderung für HR-Bereiche wird sein, aus dem vorhandenen Datenberg die Risiken und Werttreiber zu identifizieren. Das scheint mir derzeit eine der grundlegenden Herausforderungen zu sein: Während für „E“ (Environment) und „G“ (Governance) bereits die Währungen gefunden sind, steht dem „S“ (Social) dieser Prozess noch bevor. Umso wichtiger ist die Materialitätsanalyse. Sie macht unternehmensspezifisch klar, mit welchem Schwert man sich durch den „S“-Datendschungel kämpft. Nicht der längste und bunteste Nachhaltigkeitsreport gewinnt, sondern der, der mittels definierter Datenpunkte sauber den Beweis führen kann, dass ESG eine Chance für den Unternehmenserfolg ist und nicht nur eine lästige Reportinganforderung der EU.

Investitionen in Bildung und Weiterentwicklung der Mitarbeitenden, moderne Führungskultur, gleichberechtige Karrierechancen für Frauen und Männer, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie – das sind einige weitere Beispiele, wie ESG die Diskussion in Unternehmen verändert. Und sie sind gleichzeitig Beispiele dafür, wie HR-Start-Ups mit frischen Ideen HR besser machen und gleichzeitig relevante Datenpunkte in die ESG-Berichterstattung einbringen können.

HR als Partner der Nachhaltigkeitsstrategie

Sind HR-Start-ups die „Alleskönner“, die alle ESG-Anforderungen einer HR-Abteilung erfüllen? Sicherlich nicht. Wie oben beschrieben können sie eine sinnvolle Ergänzung zum vorhandenen Set-up oder ein erster Zugang zur Welt der datengetriebenen HR sein. Unabdingbar bleibt in beiden Fällen: eine vorhandene People-Strategie als Partner der Nachhaltigkeitsstrategie. HR ist ein Teil der ESG-Ziele des Unternehmens und liefert kontinuierlich Kennziffern für die Berichterstattung zu. Dabei sollte sich HR nicht auf die Rolle des Zahlenlieferanten reduzieren lassen. Der Anspruch ist vielmehr, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu aggregieren und sie in Einklang mit dem Bedarf des Unternehmens zu bringen sowie Transformationsprozesse aktiv mitzugestalten. Aus dieser Rolle heraus lassen sich Kennzahlen gewinnen, die die Fortschritte bei der Umsetzung der Personalstrategie messbar machen. Das ist nicht nur relevant für die ESG-Berichterstattung, sondern auch um den Erfolg des eigenen Handelns als HR-Bereich zu messen.

Weitere Informationen:

Der HR Start-up Award wird jährlich vergeben von der HKP Group, dem Bundesverband der Personal­manager*innen, dem Human Resources Manager und der ­Quadriga Hochschule Berlin.

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Elke Eller

Elke Eller ist Professorin für Strategisches Personalmanagement an der Hochschule Worms, Aufsichtsrätin und Investorin. Die promovierte Volkswirtschaftlerin war Personalvorständin und Arbeitsdirektorin bei der TUI Group und Personalvorständin bei VW Nutzfahrzeuge und VW Financial Services. Von 2015 bis 2019 war sie ehrenamtliche Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager*innen (BPM).

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