Wie mich das Scheitern meines Start-ups stärkte

Start up, HR!

Schon früh in meinem Studium konnte ich mich für Start-ups und ihre Geschichten begeistern – von Gründerinnen und Gründern, die mit ihren Ideen die Welt verändern wollten. Dabei geht allen Start-ups und Unternehmen eines voraus: der Wunsch, eine Idee in die Tat umzusetzen. Mit genau diesem inneren Tatendrang gründete ich 2019 mein eigenes Start-up, yuccaHR. Vier Jahre später folgte die große Ernüchterung: yuccaHR ist insolvent, als Gründer bin ich gescheitert.

Vom Erfolg zur Insolvenz

Mit yuccaHR wollten wir auf einfache Weise einen nachhaltigen Beitrag für die Arbeitswelt leisten. Unsere Lösung bestach durch eine einfache Anwendung und mit hoher Effektivität. Unternehmen und Personalverantwortliche konnten mit unserer Microsoft-Teams-App die Vernetzung der Mitarbeitenden im Unternehmen unterstützen, zum Beispiel beim Onboarding, bei Vernetzungsformaten wie Coffee Dates oder im Rahmen von Fusionen. Eine Lösung, die gerade in Zeiten von Homeoffice und hybridem Arbeiten eine willkommene Abwechslung darstellte.

Rückblickend hatten wir zu Beginn unserer Reise ein gutes Timing. Als Anfang 2020 die Corona-Pandemie die Arbeitswelt mit voller Wucht traf, brauchte es für die Zusammenarbeit plötzlich ganz neue Lösungen. Der Begriff „New Work“ hatte sein langersehntes Debüt, und es war Zeit, alte Regelungen zugunsten neuer Ansätze zu überdenken.

Die Anordnung, ins Homeoffice zu wechseln, traf dabei die meisten Unternehmen unvorbereitet. Nicht nur die Frage der allgemeinen Vernetzung und dem Bedürfnis nach einem stärkeren Gefühl der Zugehörigkeit, sondern auch besonders das Onboarding neuer Mitarbeitenden erwies sich als große Herausforderung. Dass wir hier mit yuccaHR eine spannende Lösung anzubieten hatten, zeigte sich im großen Kundeninteresse. Gespräche zur Anwendung unserer Lösung in großen Unternehmen wie Microsoft, Nestlé und Gruner+Jahr bekräftigten uns in unserem Vorhaben. Ein nächster Meilenstein winkte im Rahmen der großen Fusion von RTL und Gruner+Jahr. yuccaHR sollte maßgeblich bei der Vernetzung von tausenden Mitarbeitenden unterstützen. Im Bereich der Post-Merger-Integration waren wir weltweit die einzige Lösung mit einem solchen Angebot.

Nicht ganz ein Jahr später kam die Ernüchterung. Das Interesse an unserer Lösung sank, und die Kundengewinnung wurde zur größten Herausforderung. Der erhoffte Deal mit Gruner+Jahr platzte in letzter Minute, und Bestandskunden verzichteten auf Vertragsverlängerungen. Schweren Herzens mussten wir uns entscheiden, alle Mitarbeitenden zu kündigen, um einen neuen Richtungswechsel zu ermöglichen. Trotz großer Bemühungen blieb dieser aus und die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens konnte nicht mehr gesichert werden.

Die ausbleibenden Umsätze und die intensive, vierjährige Reise forderten ihren Tribut und ließen keine Perspektive für die Zukunft zu. Trotz aller Anstrengungen und Durchhaltevermögens konnte yuccaHR die finanziellen Herausforderungen nicht überwinden. Die Reise, die mit so viel Hoffnung und Engagement begonnen hatte, fand nun ihr Ende.

Scheitern demaskiert

Mit Bekanntgabe der Insolvenz, fragte mich eine Freundin entgeistert: „Woran hat es denn nur gelegen? Es lief doch so gut!“ Eine einfache Frage, auf die ich am liebsten eine ebenso einfache, klare Antwort gegeben hätte. Vermeintlich lassen sich verschiedene Gründe aufzeigen. Doch je tiefer man in das Dickicht seiner eigenen Entscheidungen eintaucht, desto größer werden die Fragezeichen. Hätte man nicht besser Weg A gehen sollen? War die Entscheidung B die richtige? Eine schier endlose Debatte, aufgeladen von eigenen Emotionen und dem Trugschluss, mit nur genügend Willen und Motivation ein anderes Ergebnis erzielen zu können.

Im Rahmen der Insolvenz und meiner Aktivität in der Start-up-Szene habe ich mit vielen Gründerinnen und Gründern gesprochen, die ein ähnliches Schicksal teilen. Zu meiner großen Überraschung sind die Gemeinsamkeiten größer, als man auf den ersten Blick annehmen mag. Bei den Wenigsten lässt sich die Frage, woran es gelegen hat, kurz und knapp beantworten. Es zeigt sich immer als Zusammenspiel vieler Faktoren, bei denen sich nur ein bestimmter Teil beeinflussen lässt, andere wiederum nicht. So lässt sich zum Beispiel das angebotene Produkt am Markt beeinflussen. Gutes Timing hingegen nicht.

So folgte letztlich auch die Einsicht, dass ein Scheitern kein persönlicher Misserfolg ist, sondern vielmehr eine wertvolle Lektion und eine Chance zur persönlichen Weiterentwicklung bietet. Es erfordert Mut, aus den Erfahrungen zu lernen und gestärkt daraus hervorzugehen. Besonders in der dynamischen Welt der Start-ups sind das Verständnis für Misserfolge und deren konstruktive Aufarbeitung entscheidend für zukünftigen Erfolg.

Scheitern schärft den Blick für Risiken

Scheitern stärkt die Resilienz, macht widerstandsfähiger und hilft, in schwierigen Zeiten einen kühlen Kopf zu bewahren. Es schärft den Blick für Risiken und ermöglicht eine bessere Einschätzung und strategischeres Handeln. Der Umgang mit dem Risiko des Scheiterns erfordert einen wichtigen Pragmatismus, der sowohl im beruflichen als auch im privaten Leben von Vorteil ist.

Man wächst an seinen Herausforderungen, heißt es immer. Dass hinter diesem Spruch mehr als nur eine Floskel steckt, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Rückblickend bin ich dankbar für die Erfahrung des Scheiterns. Und obwohl ich gerne auf diese Erfahrung verzichtet hätte, freue ich mich darüber, meinen eigenen Blick schärfen zu können. Denn egal welche Idee oder Vorstellung man umsetzen möchte, die Möglichkeit des Scheiterns ist stets ein Begleiter auf dieser Reise. Auch wenn der Begriff im Duden mit „keinen Erfolg haben“ beschrieben wird, so gehen Scheitern und Erfolg Hand in Hand. Letztlich ist es jedoch die Angst vor dem Scheitern, die den Erfolg gar nicht erst möglich macht. Denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Zum Abschluss möchte ich drei wichtige Learnings aus meiner Reise teilen:

  1. Die Relevanz der Marktakzeptanz und kontinuierlicher Kundengewinnung: Es ist entscheidend, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung dauerhaft auf Interesse stößt und neue Kunden gewinnt. Ein schwankendes oder nachlassendes Kundeninteresse muss nüchtern betrachtet werden. Etwaige Kurskorrekturen müssen mit höchster Priorität umgesetzt werden.
  2. Die Notwendigkeit einer soliden finanziellen Planung und der Absicherung von Deals: Finanzielle Stabilität und verlässliche Partnerschaften sind das Rückgrat eines Unternehmens. Der Verlust eines entscheidenden Deals oder unerwartete Rückgänge bei Vertragsverlängerungen können verheerende Auswirkungen haben und müssen bei der Planung von den „Plan B“s berücksichtigt werden.
  3. Die Bedeutung von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in Krisenzeiten: Besonders Start-ups müssen in der Lage sein, sich schnell an veränderte Bedingungen anzupassen. Nur die wenigsten erfolgreichen Start-ups brauchten keinen Plan B, um auf unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren und die Unternehmenssicherheit zu gewährleisten.

Ich möchte alle Leserinnen und Leser ermutigen, die Angst vor dem Scheitern abzulegen und dem Bedürfnis, eine Idee zu verwirklichen, nachzugeben. Auch wenn es nicht funktioniert, so habt ihr stets richtig entschieden. Nur Stillstand ist Rückschritt!

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Florian Baum

Florian Baum ist Innovationsmanager bei der Provinzial Versicherung, ehemaliger Start-up Gründer des HR-Tech Start-ups yuccaHR und engagiert sich ehrenamtlich als Mitglied des erweiterten Vorstands beim StartupDorf e.V. sowie beim TechHub.K67.

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