KI in der Industrie: Über Potenziale und Hindernisse

Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz wird die Arbeitsinhalte der Beschäftigten gravierend ändern. Das zeigt eine Studie des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa). Demnach stimmen 70 Prozent der Teilnehmenden dieser Aussage eher beziehungsweise voll zu. Dabei ist es grundsätzlich schwierig, den Begriff der künstlichen Intelligenz (KI) eindeutig zu bestimmen, da es keine allgemeingültige, von allen Akteuren konsistent genutzte Definition gibt. Im Allgemeinen werden damit Computersysteme bezeichnet, die ein menschenadäquates Verhalten zeigen beziehungsweise sich so verhalten, dass eine menschliche Intelligenz vorausgesetzt werden könnte. Die Pionierin der KI-Forschung, Elaine Rich, sagte schon 1950 sinngemäß: „KI erforscht, wie man Computer dazu bringt, Dinge zu tun, die Menschen im Moment noch besser können.“

Künstliche Intelligenz gewinnt an Bedeutung für die Unternehmen

Die Bedeutung des Themas KI für produzierende Unternehmen wird derzeit noch sehr indifferent bewertet. 33 Prozent der in der Studie Befragten bewerten die Bedeutung als groß beziehungsweise sehr groß, 33 Prozent schätzen die Bedeutung als gering bis sehr gering ein, die übrigen 34 Prozent antworteten mit „teils, teils“. Es zeigt sich jedoch, dass die Bedeutung des Themenfelds mit zunehmender Unternehmensgröße stark zunimmt. Die Befragten schätzen, dass im Jahr 2035 etwa zwei Drittel der nationalen produzierenden Unternehmen mindestens eine KI-Anwendung eingeführt haben. In der erhobenen Stichprobe haben bereits 36 Prozent der Unternehmen, in denen die Befragten arbeiten, mindestens ein KI-System eingeführt. Bei weiteren 37 Prozent ist die Einführung derzeit in Planung.

Potenziale in allen Unternehmensbereiche

Die Studienergebnisse zeigen Potenziale von KI gleichermaßen für Unternehmen wie Beschäftigte auf: Der Verkürzung von Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten (73 Prozent und 71 Prozent Zustimmung), der Reduzierung von Personalkosten (68 Prozent Zustimmung) sowie der Steigerung der Arbeitsproduktivität (67 Prozent Zustimmung) wird der größte Nutzen für die Unternehmen zugeordnet. Erwartete Auswirkungen für die Beschäftigten liegen verstärkt in der Verbesserung der Lernförderlichkeit im Arbeitsprozess, in der Entlastung der Beschäftigten (je 57 Prozent Zustimmung) sowie in der Steigerung der Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten (55 Prozent Zustimmung).

Die Potenziale durch den Einsatz von KI-Systemen werden dabei in allen Unternehmensbereichen erwartet. Das größte Potenzial wird den Unternehmensbereichen Fertigung, Logistik und Lager sowie Montage zugesprochen. Ein vergleichbares Bild ergibt sich bei der Analyse der Einsatzbereiche geplanter beziehungsweise eingeführter KI-Anwendungen. Aufgrund des Studiendesigns kann nicht ausgeschlossen werden, dass überwiegend Unternehmensvertreter aus direkten Bereichen produzierender Unternehmen befragt wurden. KI-Anwendungen bieten aber auch großes Potenzial in den sogenannten indirekten Bereichen, beispielsweise in administrativen Prozessen wie in der Buchhaltung, im Vertrieb und in Personalprozessen wie Dienst- oder Schichtplanung, oder dem Recruiting.

Ergebnisse der ifaa Studie zu den Potenzialen Hindernissen und Bedenken gegenüber der künstlichen Intelligenz © ifaa

Führungskräfte haben weniger Bedenken als ihre Mitarbeitenden

Als großes bis sehr großes Hindernis bewerteten 60 Prozent der Befragten den Mangel an KI-Fachkräften. 52 Prozent gaben an, dass die Angst der Beschäftigten gegenüber KI ein Hindernis bei der Einführung von KI-Systemen darstellt. Auffällig ist, dass die Befragten aus den Unternehmen, die derzeit keine KI-Einführung planen, im Vergleich zu den Befragten aus Unternehmen, in denen KI bereits eingeführt wurde oder die Einführung in Planung ist, die zur Wahl stehenden Faktoren durchweg als größere Hindernisse eingeschätzt haben. Im Hinblick auf die Frage, welche Faktoren ein mögliches Hindernis bezüglich einer geplanten Einführung von KI-Anwendungen darstellen könnten, waren sich die Befragten beider Teilstichproben hinsichtlich des Mangels an KI-Fachkräften einig. Die Ängste der Beschäftigten scheinen bei den Befragten in Unternehmen mit geplanten oder realisierten KI-Anwendungen dagegen im Verhältnis eine deutlich größere Rolle zu spielen.

Den Einsatz von KI schätzen 33 Prozent der Befragten als bedenklich und sieben Prozent als sehr bedenklich ein. Demgegenüber empfinden 25 Prozent den Einsatz von KI generell unbedenklich und weitere acht Prozent vollkommen unbedenklich. Weitere Analysen zeigen, dass die Bedenken seitens der Beschäftigten ohne Führungsverantwortung wesentlich höher sind als bei Führungskräften. So bewerten 49 Prozent der Beschäftigten den Einsatz von KI als bedenklich beziehungsweise sehr bedenklich, während lediglich 21 Prozent dies als (vollkommen) unbedenklich ansehen.

Ganzheitlicher Ansatz im Change Management stärkt Akzeptanz

Die Bedenken der Beschäftigten und teils auch der Führungskräfte müssen bereits in den frühen Phasen eines KI-Einführungsprozesses berücksichtigt werden, um die Akzeptanz für die KI-Anwendung zu steigern und die spätere Nutzung des KI-Systems zu gewährleisten. Hierzu ist es zudem förderlich, Vorteile gleichermaßen für Unternehmen und Beschäftigte zu erschließen.

Die Ergebnisse der ifaa-Studie verdeutlichen die Notwendigkeit, sich bei der Einführung eines KI-Systems nicht nur auf technische Aspekte zu fokussieren, sondern einen ganzheitlichen Gestaltungsansatz zu wählen, der neben den technischen Aspekten insbesondere auch arbeitsgestalterische Fragestellungen – wie Prozesse, Organisationsstrukturen und die Kommunikation in den Unternehmen – und die Bedarfe der Beschäftigten adressiert.

Grundlegende KI-Kompetenzen wichtiger als technologisches Spezialwissen

Fach- und Führungskräfte sind im ganzheitlichen Gestaltungsprozess wesentliche Multiplikatoren. 50 Prozent der Befragten der ifaa-Studie schätzten die Rolle der Führungskräfte als sehr wichtig ein, weitere 41 Prozent als eher wichtig. Fachkompetenz wurde dabei als wichtigste von der Führungskraft benötigte Kompetenz identifiziert.

In einem vom Bundesarbeitsministerium geförderten Experimentierraum der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) untersuchte das ifaa, welche Kompetenzen Beschäftigte und Führungskräfte für einen gelungenen Einführungsprozess einer KI-Anwendung benötigen und wie sie den Einführungsprozess nach ganzheitlichen, wirtschaftlichen und menschengerechten Kriterien gestalten können.

Das Fazit der Gespräche mit Führungskräften in Unternehmen deckt sich im Wesentlichen mit der oben beschriebenen ifaa-Studie. Viele der befragten Unternehmen setzen sich mit den Potenzialen der künstlichen Intelligenz auseinander und untersuchen und erproben mögliche KI-Anwendungen für das Unternehmen. Gleichzeitig fehlt vielen Entscheidern in den Unternehmen aber weitgehend ein dezidierter Zugang zur systematischen Nutzung von KI. Auf der einen Seite sind die betrieblichen Akteure den Verbesserungspotenzialen von KI zwar aufgeschlossen gegenüber. Auf der anderen Seite sind sie aber im Konkreten unsicher über die Wirtschaftlichkeit von Investitionen in KI-Anwendungen. Daher wird die Kompetenzentwicklung bei Führungskräften und Beschäftigten als notwendig gesehen – sowohl was die Beherrschung der neuen Technologie als auch den Umgang mit Daten betrifft. Als ein Problem wird die Akzeptanz bei den Beschäftigten und deren Sorgen vor Arbeitsplatzverlusten und Leistungskontrollen gesehen.

Die Erwartungen der Unternehmen an qualifizierte Unterstützung sind daher breit gefächert. Die Unternehmen sehen es als notwendig an, dass in Weiterbildungsangeboten für Führungskräfte grundlegende Kenntnisse über KI vermittelt, der ökonomische Nutzen von KI dargestellt und die Gestaltung von Veränderungsprozessen aufgezeigt werden. Zudem sollen die Sozialkompetenzen, das pädagogische Geschick und die Fähigkeiten der Führungskräfte, Unsicherheiten und Ängste der Beschäftigten in dem Veränderungsprozess bei der Einführung von KI-Anwendungen aufzufangen, weiterentwickelt werden. Des Weiteren sollen Weiterbildungsangebote für Führungskräfte die möglichen Auswirkungen beim Einsatz der KI auf das Führungsverhalten und die Unternehmenskultur berücksichtigen und entsprechende Lösungswege aufzeigen.

Aus diesen Bedarfen und Anforderungen lässt sich ableiten, dass der größte Teil der Beschäftigten und Führungskräfte, die in ihrem Unternehmen an der Entwicklung, Einführung und Anwendung von KI-Systemen beteiligt sind, kein technologisches Spezialwissen vorweisen müssen, sondern grundlegendes KI-Wissen in soziotechnischen Bezügen sowie Erfahrungen über Prozess- und Arbeitsgestaltung besitzen sollten. Allgemeines KI-Wissen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Fach- und Führungskräfte über Bewertungskriterien verfügen, die es ihnen ermöglichen, Entwicklungen, die mit KI zusammenhängen, zu erkennen, Chancen und Gefahren der KI wahrzunehmen und KI menschengerecht und wirtschaftlich in ihrem Betrieb zu nutzen.

Weiterbildungsangebote für die Bewertung und Einführung von KI

Ein entsprechendes Weiterbildungskonzept wurde in dem vom ifaa geleiteten INQA-Experimentierraum-Projekt en[AI]ble entwickelt. Durch das Weiterbildungsangebot werden Führungskräfte und Beschäftigte, aber auch Betriebsräte und KMU-Beraterinnen und -Berater darin geschult, KI in ihrer Organisation produktiv und menschengerecht zu gestalten. Die Weiterbildung zielt insbesondere auf die Arbeitsgestaltung bei KI und den bei KI sehr wichtigen Transformations- und Veränderungsprozess ab, die bei den meisten eher technikorientierten Weiterbildungs- und Beratungsangeboten nicht berücksichtigt werden.

Im Fokus dieses Weiterbildungskonzeptes steht zwar die künstliche Intelligenz. Die Erfahrung aus vielen durchgeführten Schulungen zeigt aber auch, dass KI stets untrennbar mit „konventionellen“ betrieblichen Digitalisierungsmaßnahmen verbunden ist, die KI-Anwendungen überhaupt erst ermöglichen. Die Grundlagen über die nutzen- und akzeptanzförderliche KI-Gestaltung, die in diesem Weiterbildungsangebot vermittelt werden, unterstützen Beschäftigte und Führungskräfte auch bei der Umsetzung solcher Digitalisierungsmaßnahmen.

Schulungsinhalte und Teilnehmenden Zielgruppen des enAIble Weiterbildungsangebots © ifaa

Rahmenbedingungen, Gestaltungsspielraum und Mut bei der Anwendung

Fazit: Der Einsatz von KI benötigt Kreativität und Offenheit. KI muss so eingesetzt werden, dass sie den Menschen und Unternehmen nützt. Das bedeutet, es müssen unter anderem datenschutztechnische und ethische Gesichtspunkte beachtet werden. Insbesondere Führungskräfte spielen eine wichtige Rolle im Prozess der Einführung und Anwendung von KI im Unternehmen. Sie müssen aufklären, Ängste nehmen und haben Vorbildfunktion. Beschäftigte müssen befähigt werden, die Funktionsweise der KI zu verstehen. Mit diesem Verständnis können sie die Entscheidungen des Systems nachvollziehen und fachgerecht hinterfragen. Außerdem sollten Beschäftigte bei Fragen oder Unklarheiten zum KI-System immer Fachexpertinnen und -experten (intern oder extern) zu Rate ziehen können. Wenn diese Rahmenbedingungen erfüllt sind, kann die nachhaltige Nutzung von Anwendungen der künstlichen Intelligenz im Unternehmen gelingen.

Zur Studie
Die ifaa-Studie Künstliche Intelligenz in produzierenden Unternehmen zielte darauf ab, den aktuellen Stand des KI-Einsatzes in produzierenden Unternehmen in Deutschland sowie die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen zu erfassen. Sie identifizierte kritische Erfolgsfaktoren des KI-Einsatzes, um darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für die betriebliche Praxis abzuleiten. Die Gesamtstichprobe umfasst 459 Führungskräfte (56 %) und Beschäftigte ohne Führungsverantwortung (44 %) aus allen Wirtschaftszweigen des produzierenden Gewerbes. Wesentlich vertretene Wirtschaftszweige sind Maschinenbau (14 %), Herstellung sonstiger Ware (9 %), Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln (8 %) sowie Metallerzeugung und -bearbeitung (7 %). 46 Prozent der Befragten entstammen dabei kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen gemäß der Definition der EU-Empfehlung 2003/361. Erste Studienergebnisse finden Sie hier.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Flexibilität. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Markus Harlacher

Markus Harlacher ist Wirtschaftsingenieur mit der Fachrichtung Produktionstechnik und promovierte am Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen. Seit Dezember 2021 arbeitet er für das ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft im Kompetenzzentrum WIRKsam, in dem anhand von verschiedenen Anwendungsfällen aufgezeigt wird, wie Arbeit und KI menschengerecht gestaltet werden kann.

Sebastian Terstegen

Sebastian Terstegen ist Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Unternehmensexzellenz des ifaa. Er verfügt über Erfahrungen in der Arbeitsorganisation und im Projektmanagement und ist im ifaa Experte für Digitalisierung/Industrie 4.0, künstliche Intelligenz und Produktionssystemgestaltung. Er war zuvor an der RWTH Aachen in Forschungsgebieten der Arbeitswissenschaft und des Operations Research tätig.

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