„Fleißarbeit spricht nie für sich selbst“

Self Branding

Frau Wüst, was ist unter Selfbranding genau zu verstehen?

Petra Wüst: Selfbranding ist das Gestalten einer Marke für die eigene Person. Wenn ich von Selfbranding spreche, meine ich Selfbranding im Unternehmen oder auf dem Arbeitsmarkt. Für mich ist es immer das Schönste, wenn meine Klienten oder Klientinnen dann den Job kriegen, den sie wollten. Ob im eigenen Unternehmen oder durch einen Wechsel. Ich hatte einmal eine Klientin, die unbedingt einen bestimmten Job wollte und anderthalb Jahre nie zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wurde. Nach unseren Gesprächen und unserer Arbeit an ihrem Branding hat es dann tatsächlich geklappt. Generell kann man sagen: Die Stärke einer Eigenmarke liegt darin, dass Menschen mit dem Namen einer Person verbinden, wofür diese Person steht.

Was hat Sie dazu bewegt, Menschen dabei zu unterstützen?

Ich berate Menschen jetzt seit über 20 Jahren in Sachen Selfbranding und Selbst-PR und muss sagen, das Thema hat eine spannende Geschichte durchlebt. Zu Beginn meiner Tätigkeit kannte man den Begriff Personal Branding noch gar nicht oder hat ihn im deutschsprachigen Raum mit der Personalabteilung in Verbindung gebracht. Daher habe ich für meine Arbeit dann den Begriff Selfbranding geprägt, den ich bis heute verwende. Es geht darum, Menschen zu helfen, ihre Expertise und Persönlichkeit sichtbar zu machen. Nicht nur extern, sondern auch und vor allem im eigenen Unternehmen. Die Chefin oder der Chef sollte wissen, was ich kann, so das Credo. Es geht nicht darum, berühmt zu werden, sondern sich als Person mit gewissen Eigenschaften und Expertisen gut zu verkaufen. Heute in Zeiten von Social Media ist das Selfbranding noch komplexer geworden. Und mit der Transformation in vielen Unternehmen muss ich noch viel stärker als früher in der Lage sein, meine Fähigkeiten, meine Arbeit, meine Leistung zu zeigen. In Zeiten der Umbrüche muss ich mich als die Expertin oder der Experte auf meinem Gebiet behaupten.

Es geht in erster Linie darum, sich im eigenen Unternehmen zu branden?

Stellen Sie sich vor, ein großes Unternehmen wird umstrukturiert, wie es heute bei vielen der Fall ist. Da fragen sich doch die Menschen: Was passiert mit mir und meinem Job? Wo finde ich nach den Veränderungen einen adäquaten Arbeitsplatz? Wenn dich niemand kennt und deine Expertise, du kein Netzwerk hast oder selbst nicht weißt, wer du bist, dann wird es schwer.

Sollte HR nicht genau wissen, welche Talente im Unternehmen sind?

Das war sicher mal so, heute ist es etwas anders. Es wird von den Menschen für ihre eigene Entwicklung und Karriere zunehmend Eigenverantwortung erwartet. Dazu gehört auch, sich bemerkbar zu machen, wenn es um Veränderungen oder Chancen im Unternehmen geht. Ich war einmal bei einem großen Unternehmen, die hatten überall im Haus hohe Spiegel aufgestellt mit der Aufschrift: Hier steht die Person, die für Ihre Weiterbildung und für Ihre Karriere verantwortlich ist. In vielen Firmen können sich die Mitarbeitenden weder darauf verlassen, dass sie einen Chef oder eine Chefin haben, der/die für sie schaut, schon gar nicht in der Unternehmensleitung.

Inwieweit sollte meine Personal Brand auf meine Rolle im Unternehmen ausgerichtet sein? Und was passiert, wenn ich das Unternehmen verlasse und eine neue Funktion übernehme?

Da gibt es eine ganz klare Antwort: Ich bin nicht eine andere Person, nur weil ich bei einer anderen Firma arbeite. Die Markenidentität ist langfristig stabil. Mein Verhalten passe ich in gewissem Maß an, aber immer nur so stark, dass meine Identität, mein Markenkern bestehen bleibt. Und dieser beinhaltet ja auch meine Werte, meine Haltung, die ich in andere Positionen mitnehme.

Wie unterscheiden sich Personal Brands von Corporate Influencern?

Corporate Influencer verkörpern die Corporate Identity ihres Arbeitgebers. Und das tun sie, indem sie ihre eigene Marke ins Spiel bringen. Sie vermarkten gewissermaßen die Brand ihres Unternehmens mittels ihrer eigenen Brand. Aber nicht jede Personal Brand wird zu einem Corporate Influencer. Es kommt auf die Zielsetzung an. Personal Brands, die Corporate Influencer werden wollen, haben sich zunächst mal dafür entschieden, mehr Medienpräsenz zu wollen, und bauen gezielt entsprechende Netzwerke auf. Diese bekannten Köpfe aus Unternehmen stellen das Unternehmen und ihre Funktion in den Vordergrund und spielen dabei sehr stark mit ihrer Persönlichkeit.

Was macht eine erfolgreiche Personenmarke aus?

Beim Branding von Personen ist die erste Frage, die man sich immer stellen muss: Wer bin ich? Das ist das Herzstück meiner Marke. Es ist also erst dieser Blick nach innen, der die Marke authentisch macht. Im zweiten Schritt schaue ich nach außen: Welche Zielgruppe passt zu mir? In welchem Umfeld kann ich mein Bestes geben?

Welches sind die wichtigsten Schritte zur Marke Ich?

Ich habe für das Selfbranding über die Jahre ein Modell entwickelt, nach dem ich arbeite. Es sind drei Teile, aus denen die Marke besteht. Den Kern bildet meine Markenidentität. Dazu gehören meine größten persönlichen Stärken, meine Werte, meine innere Haltung. Was macht mich aus? Es ist wie ein Puzzle mit 5.000 Teilen. Wenn du das fertige Bild nicht kennst, weißt du gar nicht, was du da zusammensetzen sollst. Der zweite Teil beinhaltet das Markenleitbild, das meine Ziele, meine fachliche Expertise und meine Verhaltensgrundsätze beschreibt. Der dritte Teil besteht dann aus der Markenkommunikation, die sich hieraus ableiten lässt und die Außenwirkung erzielt. Die Menschen kaufen letztlich immer Emotionen. Diese werden durch persönliche Geschichten erzeugt. Meine Philosophie für ein gelungenes Personal Branding ist: Alles, was du machst, setzt Zeichen. Alles, was du machst, wird gesehen, wird gehört. Wie du dich verhältst, wie du auf Leute zugehst, alles wird von deinem Umfeld registriert und sollte ins Gesamtbild passen.

Wie kommuniziere ich meine Marke richtig?

Ich trage seit 20 Jahren immer eine rote Jacke. Die Leute wissen das und erkennen mich daran. Merkmale im Outfit sind ein Wiedererkennungsfaktor. Egal ob es bestimmte Kleidungsstücke sind oder Farben. Wichtig ist, dass es kontinuierlich wahrnehmbar ist. Hinzu kommen dann zum Beispiel Onlineaktivitäten, wie vielleicht immer gleiche und spezielle Hintergrundbilder bei Video-Calls. Es ist ratsam, verstärkt über den eigenen Onlineauftritt nachzudenken. Wie kann ich im Gedächtnis bleiben, auch wenn man mich nur in Ausschnitten und virtuell wahrnehmen kann? Auditiv kann man durch eine bestimmte Sprechweise oder Stimmlage auffallen. Und schließlich sind persönliche Geschichten, die meine Werte und Haltungen zeigen, starke Kommunikationsinstrumente. Storytelling ist das A und O.

Was kann man alles falsch machen?

Ganz falsch ist zu glauben, ich kann alles für alle sein. Wer es allen recht machen will und nicht nein sagen kann, schwächt seine Marke. Das heißt, an meiner Brand zu arbeiten, bedeutet auch, mal anzuecken und damit umgehen zu können. Angepasst sein, passt nicht zu einer Personal Brand. Ein Fehler ist auch, sich selbst über andere zu stellen und sich in Superlativen zu verkaufen. Das ist wenig menschlich und schreckt die Leute eher ab.

Lässt sich Personal Branding auch auf ganze Teams übertragen?

Wie gesagt: Das Thema hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt. Und ja, ich berate im Moment verstärkt im Bereich Team Branding. Das ist ein ganz heißes Thema, denn die Komplexität in den Unternehmen nimmt ständig zu. Ich höre oft Aussagen wie: Unser Team leistet tolle Arbeit, aber niemand im Unternehmen weiß davon. Oder: Unser Team sollte mit am Tisch sitzen, wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden. Aber dafür müssen die anderen erst einmal wissen, was wir machen. – In solchen Situationen hilft eine starke Teammarke und eine bekannte Reputation.

Wie muss man sich das vorstellen: Geht die Marke Ich dann nicht im Wir unter?

Gemeinsam den Kern des Teams zu erarbeiten und diesen entsprechend zu „vermarkten“, kann sehr motivierend sein für alle und hat einen teambildenden Charakter. Team Branding verbindet die eher klassische Teambildung nach innen mit der Stärkung der Wirkung des Teams nach außen. Zum Schluss tritt das Team glaubwürdig als Einheit auf, in der jedes Mitglied seinen Platz hat. Das Team soll ja nicht uniform sein, sondern das Beste aus jeder Person herausholen. Wichtig ist, dass jedes Individuum sich in dieser Team Brand wiederfindet mit seiner Persönlichkeit, seinem Können und seiner Identität. In diesem Prozess zur Team Brand kann es durchaus auch vorkommen, dass jemand die Erkenntnis hat: Hier passe ich gar nicht mehr hin.

Können introvertierte Menschen auch Personal Branding?

Introvertierte Menschen sind genauso wertvolle Brands wie extravertierte, das ist völlig wertfrei. Übrigens sind rund 50 Prozent der Menschen introvertiert. Dennoch haben es Introvertierte oft schwerer, weil sie in der Regel weniger auf sich aufmerksam machen. Aber das kann man lernen und in kleinen Schritten vorwärts gehen. Es gibt das elfte Gebot für schüchterne und zurückhaltende Leute, und das heißt: Du sollst nicht kneifen. Wenn du es nie wagst, dann wirst du es nie lernen. Man kann und muss Selbstmarketing üben, wenn man nicht immer das fleißige Bienchen im Hintergrund bleiben will. Natürlich ist eine gute Leistung der erste Schritt. Im zweiten Schritt musst du aber auch darüber reden, welchen Mehrwert du für das Unternehmen schaffst. Aber viele Menschen, nicht nur die introvertierten, denken fälschlich: Ich muss nur fleißig sein und gut arbeiten, dann ist das selbstredend. Falsch: Fleißarbeit spricht nie für sich selbst.

Allerdings gibt es keinen allgemeingültigen Rat für alle. Personal Branding ist sehr individuell und sollte gut durchdacht sein. Ein falsches Wort oder ein falsches Verhalten kann die Marke Ich zerstören. Der USP hängt wirklich von der individuellen Persönlichkeit ab. Am Ende will man aus der Masse herausstechen mit allem, was die eigene Identität ausmacht.

Über die Gesprächspartnerin:

Petra Wüst ist Gründerin und Leiterin des Beratungsunternehmens Wüst Consulting in Basel (Schweiz). Sie ist Expertin für Selfbranding und Selbstmarketing und seit über 20 Jahren international als Trainerin, Referentin und Coach tätig. Wüst unterrichtet zudem an der Universität Basel und ist Autorin mehrerer Bücher. Unter anderem sind von ihr erschienen: Profil macht Karriere (Orell Füssli, 2010), Schüchtern war gestern: Der Schlüssel zu mehr Ausstrahlung, Selbstvertrauen und Lebensfreude (Orell Füssli, 2012), Sei frech, wild und wunderbar. 12 mutige Schritte für Frauen, die mehr wollen (Orell Füssli, 2014).

Weitere Beiträge zum Thema:

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Branding. Das Heft können Sie hier bestellen.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
Sabine Schritt ist leitende Redakteurin beim Human Resources Manager.

Sabine Schritt

Sabine Schritt ist leitende Redakteurin des Magazins Human Resources Manager. Sie war zuvor 25 Jahre als freie Journalistin tätig. Nach verschiedenen Stationen im Tagesjournalismus und bei Ratgeber- und Lifestyle-Publikationen, beschäftigt sie sich seit über 15 Jahren intensiv mit Themen rund um die Arbeitswelt, HR und Führung. Die gebürtige Kölnerin war zudem bis 2012 stellvertretende Chefredakteurin des Schweizer Fachmagazins HR Today in Zürich. Anschließend war sie zehn Jahre als freie Redakteurin für das Fachmagazin Personalführung tätig. Sabines besonderes Interesse gilt den Aspekten:  Zusammenarbeit, Kommunikation, digitale Transformation, Kulturwandel in Unternehmen, Rollenverständnis von HR, Persönlichkeitsentwicklung.

Weitere Artikel