HR als Motor: Anpassungsfähigkeit und Resilienz durch OE stärken

Veränderung im Unternehmen

Organisatorische Resilienz – die Kunst, sich durch gezielte Organisationsentwicklung (OE) kontinuierlich zu transformieren und aus jedem Lernschritt gestärkt hervorzugehen – bedeutet Vitalität durch Anpassungsfähigkeit. OE ist komplex und vergleichbar mit einem Brillanten: Erst der ausgewogene Schliff seiner komplexen, vielschichtigen Struktur lässt ihn funkeln und macht ihn so wertvoll. Um eine Organisation zu verändern, darf man ebenfalls nicht nur an einem Teilaspekt arbeiten, sondern muss berücksichtigen, wie jeder Aspekt mit den anderen zusammenwirkt.

Die reine Anpassung harter Dimensionen wie Strukturen, Prozesse, Rollen, Governance und Systeme von Organisationen reicht oft nicht aus, um im täglichen Betrieb spürbare Veränderungen zu bewirken. Es sind zudem Kompetenzen, Führung und Zusammenarbeit erforderlich, um diese Veränderungen effektiv in der Organisation umzusetzen und nachhaltig zu verankern.
In einer Zeit, in der Strategien oft veralten, bevor die Organisation sich anpassen kann, wird die gelebte Unternehmenskultur zum Orientierungspunkt. So werden Purpose, Werte und Kultur zum Fundament resilienter Organisationen. Diese Elemente sind wechselseitig abhängige Aspekte von OE. Höchstwahrscheinlich würde beispielsweise die Einführung einer Matrixstruktur scheitern, wenn man sich ausschließlich auf die Anpassung der Aufbau- und Ablauforganisation und der Governance konzentriert und wichtige Faktoren wie Führung, Zusammenarbeit, Kommunikation und Change-Management vernachlässigt. Ebenso könnte eine reine Fokussierung auf individuelle Befähigung unzureichend sein, wenn ein Unternehmen durch Lerninitiativen und die Entwicklung von Führungskräften und Mitarbeitenden Haltungen und Fähigkeiten verändern möchte, um Innovationen zu fördern. Es wäre in diesem Zug sicher notwendig, auch die Organisationsstrukturen anzupassen und Anreizsysteme zu überarbeiten. (Abb. 1)

Abb1 Facetten von Organisationsentwicklung c Undconsorten

OE umfasst eine breite Palette von Anlässen und Initiativen: von strukturellen oder prozessualen oder systemischen Anpassungen bis hin zu Führungs- und Kulturveränderungen, die oft parallel oder kurz nacheinander verlaufen und ganzheitlich alle Ebenen einer Organisation (vom Individuum und Team über die Abteilung bis hin zum gesamten Unternehmen) betreffen. In all diesen OE-Prozessen ist HR eine erfolgskritische Größe, wobei der Einfluss und Beitrag von HR vom Reifegrad seiner Funktion und den verfügbaren Ressourcen abhängt:

Reifegrad 1: Die Rolle der Unterstützerin konzentriert sich hauptsächlich auf Verwaltungsaufgaben, erfüllt externe Anforderungen, bietet individuelle Unterstützung auf Anfrage lokaler Manager und interagiert transaktional. Dabei gewährleistet diese Rolle die Einhaltung organisatorischer Richtlinien innerhalb festgelegter Rahmenbedingungen, sammelt und sichert Datenqualität, führt Reportings durch und identifiziert sowie eskaliert Inkonsistenzen.

Reifegrad 2: Die Administratorrolle implementiert systematische, standardisierte Kernprozesse im Personalwesen und in der Grundlagenberichterstattung, bietet ausgewählte regelmäßige Angebote zur Personal- und Führungskräfteentwicklung und nutzt gemeinsame IT-Tools für Massenprozesse mit dedizierten Interaktionskanälen. Diese Rolle unterstützt organisatorische Veränderungsprozesse hauptsächlich auf prozessualer Ebene und leistet inhaltliche Beiträge durch Richtlinien, Vorgehensmodelle und Tools.

Reifegrad 3: Als Dienstleisterin deckt HR alle personalbezogenen Geschäftsanforderungen vom Eintritt bis zum Austritt ab, erreicht einen hohen Grad an Bündelung und Automatisierung durch integrierte HR-IT-Systeme, bietet Self-Service für Manager und Mitarbeitende und regelmäßiges HR-Reporting, einschließlich Mitarbeitererfahrung und Ad-hoc-Analysen. Zudem leitet diese Rolle HR-Strategien und -Roadmaps aus Geschäftsbedürfnissen ab und berät die Geschäftsbereiche strategisch in ausgewählten Themen der OE.

 

Abb 2 Anwendungsfälle von Organisationsentwicklung c Undconsorten

 

Reifegrad 4: Die (strategische) Beraterin führt proaktive Personal- und Belegschaftsplanung mit systematischer Personal- und Organisationsanalytik durch, optimiert kontinuierlich Portfolio und Prozesse basierend auf integrierten HR- und Geschäftssystemen und bietet Organisations- und Change-Consulting über Managementberatungskanäle und Top-Team-Entwicklung an.

Reifegrad 5: Schließlich fördert die Gestalterin die Geschäftstransformation, unterstützt die Analyse und Verbesserung der Unternehmenskultur, integriert die Personalstrategie in die Geschäftsstrategie mit Echtzeit-Mitarbeiterfeedback und liefert sowohl inhaltliche, prozessuale als auch methodische Impulse mit strategischer Perspektive. Diese Rolle ist als enge Beraterin für Geschäftsbereiche etabliert und deckt nahezu alle Themen der Organisationsentwicklung ab. (Abb. 2)

Effektive Rolle für HR

Um HR als treibende Kraft in der OE erfolgreich zu positionieren, sind mehrere Schlüsselfaktoren entscheidend. Zunächst muss HR klar definierte Rollen, Verantwortlichkeiten und Befugnisse besitzen, die mit der Geschäftsführung abgestimmt und in der gesamten Organisation bekannt sind. Dies stärkt die Handlungsfähigkeit von HR und ermöglicht ein proaktives und autoritatives Auftreten. Die entsprechenden Organisationsstrukturen sollten so gestaltet sein, dass sie das Mandat von HR optimal unterstützen. Weiterhin sind die Partnerschaft und die Vernetzung mit den Geschäftsbereichen wesentlich. Da OE sowohl die gesamte Organisation als auch spezifische Teilbereiche betreffen kann, ist es essenziell, dass HR in seiner Rolle anerkannt und wertgeschätzt wird. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Topmanagement, insbesondere bereits in der Phase der Strategieentwicklung, ist förderlich. HR sollte die Geschäftsbereiche als Treiber sehen und unterstützend wirken. Die Kompetenzen und Denkweisen innerhalb von HR sind je nach Rolle und Reifegrad unterschiedlich. Die Befähigung von HR ist von großer Bedeutung und wird durch bewährte Formate und Trainingsangebote unterstützt. Zudem sollte HR über standardisierte Instrumente und Methoden verfügen, die es ermöglichen, OE systematisch und effizient zu gestalten. Diese Werkzeuge unterstützen die konsistente Verwaltung und Entwicklung sowie die Bewertung ihrer Effektivität und sichern die Qualität der OE über verschiedene Teams und Regionen hinweg. Schließlich kann die Skalierung von Produkten, Maßnahmen und Initiativen effektiv durch den wirkungsvollen Einsatz von Change Agents oder HR-Business-Partnern erfolgen, die als Multiplikatoren innerhalb der Organisation fungieren.
Eine Organisation muss flexibel und dynamisch sein, um langfristig zu überleben und zu gedeihen. Richtig kalibriert und ausgestattet ist HR in diesem Prozess der Schlüsselakteur, der nicht nur den unmittelbaren Bedürfnissen der Organisation dient, sondern auch Motor ist für ihre nachhaltige Entwicklung und Erfolg des Unternehmens.

Praxisbeispiel:

    1. Kulturwandel in einem ­globalen Industriekonzern
    1. Ein weltweit tätiger Industriekonzern musste seine Unternehmenskultur an eine neue Wachstumsstrategie anpassen, um dynamischere Arbeitsweisen und schnellere Entscheidungen zu fördern.
    1. Die Herausforderungen lagen darin, die strukturelle Matrixorganisation des Konzerns an die Kernprozesse anzupassen. Die aktive Einbindung von Führungskräften und Mitarbeitenden war für den Erfolg der Kulturinitiative entscheidend. Ein interdisziplinäres Team aus Organisationsentwicklung, HR, Kommunikationsspezialisten und einem Projektbüro leitete die Initiative. Fachleute aus Performance Management und Learning & Development unterstützten themenabhängig.
    1. Das Unternehmen ging in einzelnen ­Phasen wie folgt vor:

Phase 1: Momentum und positives ­Narrativ: Entwicklung eines motivierenden Narrativ „Wir können noch stärker werden“, Einbindung der Unternehmensführung, Durchführung von Kommunikationsevents über diverse Kanäle zur Sensibilisierung.
Phase 2: Strukturelle Anpassungen: Umsetzung struktureller Anpassungen zur Implementierung der neuen Kultur, ­Optimierung von Kernprozessen für effizientere Entscheidungsfindung, Integration der Kultur in HR-Prozesse und Bewertungs­systeme.
Phase 3: Von der Initiative zur Gesamtorganisation: Systematische Eingliederung der neuen Kultur in den Arbeits­alltag, Verankerung der Werte in Projekten und Bildung eines Netzwerks von Change Agents zur Förderung der Kultur.
Fazit: Kulturwandel erfordert umfassende organisatorische Anpassungen und ist nur mit starker HR-Unterstützung möglich. HR, Organisationsentwicklung und Kommunikation sind zentral in der Inhalts­entwicklung, während die Umsetzung eine kollektive Anstrengung aller Beteiligten erfordert.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Branding. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Thekla Kovacev-Schmidt

Thekla Kovacev-Schmidt ist Associate Principal bei der ­Topmanagement-Beratung Undconsorten. Sie ist Expertin für ­Führungs- und Personalthemen mit Fokus auf Lernen und Entwicklung von Mitarbeitenden, um Organisationen erfolgreicher zu machen.

Nadeshda Kreya

Nadeshda Kreya ist Principal bei Undconsorten und Expertin für Führung und Organisationsentwicklung. Sie unterstützt große ­Organisationen bei Transformationen und bei der Etablierung einer starken Führungskultur.

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