Warum die Zeugennennung in der Abmahnung entscheidend ist

Hinweisgeberschutz und Transparenz

Eine wirksame Abmahnung ist der Grundpfeiler für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung. In der Praxis wird oft unterschätzt, dass die Anforderungen der Gerichte an eine formell und inhaltlich wirksame Abmahnung durchaus streng sind. Dies veranschaulicht ein Fall, der vom Arbeitsgericht Düsseldorf entschieden wurde.

Abmahnung wegen Loyalitätsverletzung

Der Kläger ist bei einer obersten Bundesbehörde beschäftigt, deren Aufgabe die Durchführung von Asylverfahren, Zuerkennung von Flüchtlingsschutz, Integrationsförderung und die Migrationsforschung ist. Der Kläger selbst ist zuständig für die Antragsannahme und Aktenanlage in Asylverfahren. Im Oktober 2022 wurden erstmalig diverse Vorwürfe von Mitarbeitenden vertraulich an die Vorgesetzten des Klägers übermittelt.

Der Kläger habe sich diskriminierend gegenüber einer Referentin, die er als „Kopftuch-Tussi“ tituliert, beziehungsweise abwertend in Bezug auf Asylsuchende aus Afghanistan geäußert, die er als „Staatsverräter“ bezeichnet haben soll. Die Beklagte hörte den Kläger unter Darstellung der ihr zugetragenen Vorwürfe persönlich an. Der Kläger bestritt sämtliche Anschuldigungen. Auf seine Frage, weshalb die Namen der Mitarbeitenden nicht genannt werden, die die Vorwürfe erhoben haben, wurde ihm mitgeteilt, die betreffenden Personen fühlten sich von ihm eingeschüchtert und hätten daher um Vertraulichkeit gebeten. Die Beklagte erteilte dem Kläger eine Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen seine vertragliche Nebenpflicht, in seiner Funktion angemessen aufzutreten und sich loyal zu verhalten. Der Kläger klagte auf deren Entfernung aus der Personalakte.

Abmahnung muss aus Akte entfernt werden

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat mit seinem Urteil vom 12. Januar 2024 (7 Ca 1347/23) der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, die Abmahnung aus der Akte zu entfernen. Das Urteil ist rechtskräftig; die Berufung wurde nicht zugelassen.

Das Arbeitsgericht fasst in seiner Begründung die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (so zum Beispiel grundlegend im Urteil vom 27. November 2008, 2 AZR 765/07) zusammen, wonach die Abmahnung unwirksam ist, wenn sie

  • inhaltlich unbestimmt ist
  • unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält
  • auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht bzw. die in der Abmahnung geäußerten rechtlichen Schlussfolgerungen nicht zutreffen
  • statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält
  • den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt

Schon der Verstoß gegen nur eines dieser Kriterien kann eine Abmahnung bereits unwirksam machen.

Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht die inhaltliche Richtigkeit der Vorwürfe gar nicht geprüft, weil es die Darstellung in der Abmahnung für inhaltlich zu unbestimmt hielt.

Es wiederholte damit einen Grundsatz des Bundesarbeitsgerichts, wonach sich die Anforderungen an die Konkretisierung des Sachverhalts in einer Abmahnung an dem orientieren, was der Arbeitgeber wissen kann.

Zwar seien von der Beklagten die kritischen Handlungen und Aussagen des Klägers durchaus präzise dargestellt. Jedoch habe der Arbeitgeber dem Kläger die Urheber der Vorwürfe nicht benannt, obwohl sie dem Arbeitgeber unstreitig bekannt waren. Dies habe es dem Kläger unmöglich gemacht zu prüfen, ob die Abmahnung inhaltlich richtig sei oder nicht. Die Beklagte sei auch nicht zum Schutz der Mitarbeitenden berechtigt gewesen, ihre Namen in der Abmahnung nicht zu nennen. Der durch die Benennung mögliche Konflikt zwischen dem Kläger und den Kolleginnen sei vom Arbeitgeber hinzunehmen.

Probleme in der Personalpraxis

Das Urteil stellt die Personalpraxis vor Probleme. Regelmäßig scheuen sich Mitarbeitende davor, Kolleginnen und Kollegen oder gar Vorgesetzte anzuschwärzen. Häufig genug sorgen sie sich vor dem daraus erwachsenden offenen Konflikt mit den Betroffenen. Selbst wenn sie den Hinweis zunächst nicht anonym abgeben, besteht die Gefahr, dass sie später nicht offen an konkreten Maßnahmen des Arbeitgebers mitwirken wollen. Andererseits riskiert der Arbeitgeber ohne ihre Benennung die Unwirksamkeit seiner Abmahnung.

Konflikt zwischen Hinweisgeberschutz und Transparenz

Ein vergleichbares Dilemma trifft den Arbeitgeber bei Hinweisgeberschutzsystemen. Der Arbeitgeber ist auch bei der Frage, ob der Beschäftigtendatenschutz den Schutz von Hinweisgebern überwiegt, nur im Ausnahmefall berechtigt, als schützenswert bewertete Interessen von Hinweisgebern aus der Belegschaft, die anonym bleiben wollen, über die Interessen des von dem Hinweis betroffenen Arbeitnehmers zu stellen. Das belegt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. März 2023 (5 Sa 1046/22).

Fazit und Empfehlung

Diese Entscheidung erinnert den Arbeitgeber daran, dass das Abfassen einer Abmahnung keineswegs banal ist. Personalverantwortliche müssen große Sorgfalt auf Präzision, Transparenz und Vollständigkeit legen, wollen sie nicht die Ausgangslage des Unternehmens im Streit über eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Not verschlechtern. Auch die Benennung derjenigen Mitarbeitenden, auf deren Aussagen der arbeitsrechtliche Vorwurf sich stützt, sollte vorsorglich in der Abmahnung nicht unterlassen werden.

Andere Arbeitsgerichte mögen die Frage vielleicht anders beurteilen. So ist nicht ausgeschlossen, dass ein anderes Arbeitsgericht die Abmahnung unbeanstandet ließe, wenn die Darstellung in der Abmahnung so klar und nachvollziehbar – zum Beispiel unter Beifügung von schriftlichen Belegen – erfolgt, dass der Betroffene die inhaltliche Richtigkeit auch ohne Namensnennungen prüfen kann. Dies bliebe aber nach dem Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf riskant und sicherlich muss jeder Arbeitgeber mit einer entsprechenden Verteidigungsstrategie von Arbeitnehmeranwälten rechnen. Wenn der Arbeitgeber sich zur Namensnennung entschließt, wird er sich ohne Zweifel um die Mitwirkung der Mitarbeitenden bemühen müssen, indem er ihnen beispielsweise Schutz vor Repressalien des angezeigten Kollegen oder der Vorgesetzten zusichert und auch effektiv gewährt.

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Helge Röstermundt, Rechtsanwalt bei Heussen

Helge Röstermundt

Helge Röstermundt ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am Standort Berlin.

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