Scheinselbständigkeit auf der Spur: Betriebsprüfungen der DRV ab 2025 mit KI

KIRA

Die Kapazitäten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zur Aufdeckung von Scheinselbständigkeit in Unternehmen waren bislang eher begrenzt. Das wird sich aber schlagartig ändern, wenn ein KI-Tool künftig die Buchhaltung von Unternehmen nach Scheinselbständigen durchsucht. Die Träger der DRV prüfen mindestens alle vier Jahre im Rahmen einer sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung, ob Arbeitgeber ihren Melde- und Beitragspflichten ordnungsgemäß nachgekommen sind. Nach eigenen Angaben der DRV fordert diese im Rahmen der jährlich rund 400.000 stattfindenden Betriebsprüfungen bereits Beiträge im hohen dreistelligen Millionenbereich bei den geprüften Unternehmen nach.

Kapazitätsmangel und die neue KI-Lösung bei der DRV

Den ungefähr 1.500 Beschäftigten des Prüfdiensts der DRV steht bisher durchschnittlich weniger als ein Arbeitstag pro Betriebsprüfung zur Verfügung. Das reicht für eine umfassende Kontrolle nicht aus. Daher entscheiden die DRV-Prüfer häufig allein aufgrund ihrer Erfahrungswerte, welche Schwerpunkte sie bei der Prüfung setzen. Dieser Mangel an Kapazitäten hat bisher häufig dazu geführt, dass bei Unternehmen Fälle von Scheinselbständigkeit und/oder verdeckter Arbeitnehmerüberlassung nicht geprüft und damit nicht aufgedeckt und nachverbeitragt wurden. Das dürfte sich ab 2025 ändern. Denn die DRV plant ab 2025, eine KI namens KIRA (Künstliche Intelligenz für Risikoorientierte Arbeitgeberprüfung) im Rahmen von Betriebsprüfungen einzusetzen. Damit dürften deutlich mehr fehlabgegrenzte Fälle von Fremdpersonaleinsatz aufgedeckt und entsprechend deutlich höhere Beitragsnachforderungen bei den Unternehmen erhoben werden.

Was ist KIRA?

Die neue KIRA-KI soll die digitalen Prüfunterlagen nach Mustern und Auffälligkeiten prüfen, noch bevor die DRV-Prüfer ihre manuelle Prüfung beginnen. Die KI generiert dann ein Ranking, das den Betriebsprüfern anzeigt, welche Unternehmen vorrangig geprüft werden sollten und welche Prüfunterlagen besonders auffällig waren. Das ermöglicht den DRV-Prüfern eine effizientere und trennschärfere Prüfung nach beitragsrechtlichen „Risikofeldern“.

Höhere Aufdeckungsquote bei Scheinselbständigkeit und verdeckter Arbeitnehmerüberlassung

Da in der Vergangenheit viele Fälle von Scheinselbständigkeit und/ oder verdeckter Arbeitnehmerüberlassung wegen Kapazitätsmängel von den DRV-Prüfdiensten nicht aufgedeckt wurden, haben viele Unternehmen entweder unzureichende oder gar keine Compliance-Systeme zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit und/ oder verdeckter Arbeitnehmerüberlassung eingeführt. Die Aufdeckungswahrscheinlichkeit von Scheinselbständigkeit und/ oder Arbeitnehmerüberlassung wird sich aber durch den Einsatz des KIRA-Tools erheblich erhöhen, so dass ein Fehlen von geeigneten Compliance-Systemen zukünftig noch eher zu drastischen sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Nachzahlungen sowie gegebenenfalls Haftstrafen für die Unternehmensorgane führen wird. Denn Scheinselbstständigkeit und/ oder verdeckte Arbeitnehmerüberlassung sind bußgeldbewehrt und die Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie Steuerhinterziehung können für Unternehmensorgane Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen.

Da die KI zukünftig Beauftragungsunterlagen nach Auffälligkeiten scannt, dürfte einer unter Compliance-Gesichtspunkten sauberen Papierform bei der Beauftragung von Fremdpersonal eine noch höhere Bedeutung zukommen. Denn das dürfte zukünftig das Haupteinfallstor für vertiefte Prüfungen sein.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Ab 2025 erhöht sich die Schlagkraft der DRV bei Betriebsprüfungen erheblich. Unternehmen können nicht mehr darauf hoffen, dass kritische Fremdpersonalbeauftragungen nicht mehr aufgedeckt werden. Sie sind daher angehalten, spätestens jetzt ihre Compliance-Prozesse einem Review zu unterziehen beziehungsweise solche jetzt einzuführen, wenn sie noch nicht vorhanden sind. Anderenfalls drohen Nachzahlungen und gegebenenfalls sogar Haftstrafen für die Unternehmensleitung. Dabei ist insbesondere sicherzustellen, dass Beauftragungsunterlagen keine „Buzzwords“ oder Stichworte enthalten, die Anlass für eine vertieftere Prüfung geben könnten. Zudem sind entsprechende Leistungsbeschreibungen auszuarbeiten, aus denen sich die abgegrenzte Tätigkeit von Fremdpersonal bereits hinreichend ergibt.

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Johannes Simon

Johannes Simon, LL.M. (Durham), Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, Taylor Wessing Düsseldorf.

Jan-Patrick Vogel

Jan-Patrick Vogel, LL.M. (Stellenbosch), Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, Co-Head Industry Group Compliance, Taylor Wessing Frankfurt.

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